Mit Urteil vom 29. August 2024 (Az. 3 C 13.23) hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu „Weingut“ und „Gutsabfüllung“ entschieden, dass die Klägerin ihre Weine nicht mit den vorgenannten Begriffen kennzeichnen durfte.
Der Entscheidung zugrunde lag eine Feststellungsklage einer Winzerin von der Mosel, die Weintrauben zum Keltern von eigenen und gepachteten Weinbauflächen verwendete. Die von der Winzerin gepachteten Flächen lagen rund 70 km entfernt und mit dem Verpächter bestand ein Bewirtschaftungsvertrag. Die Kelteranlage des Verpächters wurde von der Winzerin jährlich für 24 Stunden für die Trauben aus der Pacht genutzt. Die Kelterung erfolgte durch den Bewirtschafter nach den önologischen Vorgaben der Winzerin. Der gekelterte Most wurde später von der Winzerin abgeholt. Auch dieser aus dem Pachtbetrieb stammende Wein wurde später mit der Bezeichnung „Weingut“ und „Gutsabfüllung“ vertrieben. Eben jene Kennzeichnung wurde von der Aufsichtsbehörde beanstandet. Diese sah in der Auslobung „Weingut“ bzw. „Gutsabfüllung“ das zwingende Erfordernis, dass die Weinbearbeitung in einem räumlich und organisatorisch abgrenzbaren Weingut stattfinden müsse. Dies setze – so die Behörde – die Eigenständigkeit der Betriebsstätte und den Einsatz eigenen Personals voraus.
Auf Vorlagefrage entschied der Europäische Gerichtshof, dass es nach Art. 54 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/33 genügt, wenn die Kelterung der von den gepachteten Flächen stammenden Trauben in einer für die Weinbearbeitung gemieteten Anlage stattfindet, sofern die Anlage am gemieteten Zeitraum ausschließlich dem Weinbaubetrieb zur Verfügung gestellt wird und dieser die tatsächliche Leitung, ständige Überwachung und Verantwortung übernimmt. Es sei belanglos, dass der vermietende Weinbaubetrieb ein Eigeninteresse an der Art und Weise der Durchführung der Kelterung habe.
Hieran anknüpfend stellt das Bundesverwaltungsgericht nun im hiesigen Verfahren fest:
„Um der Anforderung zu genügen, dass die Kelterung unter der tatsächlichen Leitung, der engen und ständigen Überwachung sowie der ausschließlichen Verantwortung des namensgebenden Weinbaubetriebs durchgeführt wird, muss die Kelterung nach dessen Vorgaben erfolgen, ohne dass sich dieser Betrieb darauf beschränken darf, auf etwaige Anweisung des die Kelteranlage vermieteten Weinbaubetriebes zu verweisen; bei unvorhergesehenen Problemen, die den Erlass sofortiger Entscheidungen erforderlich machen, müssen diese Entscheidungen vom Inhaber des namensgebenden Weinbaubetriebs selbst oder von dessen Mitarbeitern getroffen werden […].
Nach den […] tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts […] war bei während der Kelterung auftretenden unvorhergesehenen Problemen, die […] eine sofortige Entscheidung erforderlich gemacht hätten, nicht sichergestellt, dass diese […] von der Klägerin selbst oder von ihren Mitarbeitern getroffen wurden. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, nach dem Vertrag über die Anmietung der Kelteranlage habe der Vermieter bei unvorhergesehenen Problemen während des Keltervorgangs unabhängig von der Klägerin eigenständige Entscheidungen treffen können und sollen […].
Danach war die Klägerin nicht berechtigt, für den streitgegenständlichen Wein die Angabe „Weingut“ [oder „Gutsabfüllung“] zu verwenden.“
In eine ähnliche Richtung geht das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Dezember 2023 (Az. 37 O 2041/23). Die Münchener Richter sahen in der Angabe „Wunderbräu“ in Kombination mit einer Münchener Adresse auch das Erfordernis, dass an diesem Ort eine aktive Braustätte vorgehalten werden muss und nicht lediglich der Vertrieb des in einer Lohnbrauerei produzierten Produkts organisiert wird.
Erscheinen beide Sachverhalte auf den ersten Blick vergleichbar, so wird man bei genauerer Betrachtung schon Unterschiede feststellen müssen. Der hier vom Landgericht München I zu beurteilende Sachverhalt richtet sich nach den Vorgaben der Verordnung (EU) 1169/2011 (LMIV). Hiernach ist nach Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV zwingend der Name oder die Firma und die Anschrift des Lebensmittelunternehmens nach Art. 8 Abs. 1 anzugeben. Gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. g) stellt die LMIV allerdings klar, dass die Angabe eines „Herkunftsorts“ nicht in der Nennung des Namens, der Firma oder der Anschrift des Lebensmittelunternehmers entsprechend der Pflichtkennzeichnung nach Art. 9 LMIV zu sehen ist. Dieser Aspekt wurde hier vom Landgericht München verkannt. Auf dem vom Landgericht München zu beurteilenden Produkt wurde lediglich die Firma und Adresse des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers angegeben. Hierin liegt kein geografischer Hinweis auf eine auch an diesem Ort betriebene Braustätte.
Insoweit besteht also aus rechtlichen Gesichtspunkten ein Unterschied zu der hier den Weinsektor betreffenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
Dennoch zeigen beide Entscheidungen, dass bei der auch nur abstrakten Bezugnahme auf eine aktive Produktionsstätte besondere Vorsicht geboten ist.